Vorgestern hatte sie Geburtstag. Damit dieser Brief hier nicht im allgemeinen Beglückwünschen untergeht, poste ich ihn erst heute.
Meine Dame, wir nennen sie hier Marie, ist seit 22 Jahren mit mir verheiratet. Das ist schon eine Leistung an sich. Ich bin zwar ein umgänglicher Typ, aber jeder ist auf seine Weise kompliziert. Zudem leben wir im Ausland. Zusammen haben wir schon vier Länder gemeistert, zwei davon mit Kindern.
Durch besondere Ereignisse aber auch diverse Persönlichkeitstest haben wir herausgefunden, dass unsere Art, dass Leben anzugehen, sehr ähnlich ist. Wir versuchen vieles so einfach wie möglich machen, so praktisch wie nur denkbar. Wir lieben Unkompliziertes, lachen gerne und meistens über dasselbe und haben ähnliche Vorlieben.
Aber unsere Gaben und Fähigkeiten sind sehr unterschiedlich. Sie ist ein Detailmensch, ich der Überblickstyp. Sie ist praktisch, pragmatisch und geschickt. Ich eher analytisch, grob und manchmal tolpatschig. Sie kann sich richtig heftig aufregen, wenn ich Dinge nicht gut genug mache, so dass sie wiederholt werden müssen, wie z.B. schlecht und mit zu wenig Spülmittel abwaschen.
Bei Entscheidungen haben wir gelernt: Haben wir Zeit, muss ich analysieren. Haben wir keine Zeit, muss ihre Intuition herhalten. Hören wir nicht auf unsere Intuition – meine ist auch gut, nur auf anderen Gebieten – werden wir immer bestraft.
Eine ihrer Macken, die sie selber am meisten nerven, ist die Unfähigkeit zum Multitasking: Sie kann nur eine Sache jetzt und hier, alles andere muss danach kommen. Das fordern die Kinder immer wieder heraus: Sie quatschen dazwischen. Mama ist aus ihrem Arbeitsrhythmus heraus gerissen und weiß nicht mehr, was sie wollte. Das kann so weit gehen, dass sie nicht mehr weiß, wo sie ihr Handy hingelegt hat oder die Schlüssel, da sie genau in dem Augenblick mit etwas Neuem konfrontiert wurde, als sie diese ablegen wollte. Das muss Mann akzeptieren. Ist halt so!
Dafür kann sie z.B. extrem gut packen: Möglichst viel noch irgendwo hinein kriegen, ist meist kein Problem. Noch etwas in den eigentlich vollen Kühlschrank stellen, sollte ich gleich lassen. Ich kann es nicht, finde keinen Platz. Sie schon! Eine logische Konsequenz: Neueinrichtung nach Umzug gehört zu ihren Aufgaben.
Eine Folge dieser praktischen Seite ist, dass wenn sehr viele davon anstehen – wie z.B. bei einem Umzug – könnte man eigentlich alles ihr überlassen. Sie macht es eh am besten. Das geht aber nicht. Also hilft man, macht irgendwas, das dann nicht gut genug ist und – schwupps – regt sie sich auf, wieso man so was so blöd machen konnte. Tja!
Wie hat alles angefangen? Wir wurden einander vehement empfohlen. Zwei Freunde, ein Mann und eine Frau, aber nicht miteinander liiert, haben uns jeweils den anderen als super-toll und ultra-klasse und mega-nett und, und, und, beschrieben. Als wir uns dann schließlich erst Wochen später trafen, waren wir beide enttäuscht. Auch rein äußerlich!
Im Nachhinein war das unser Glück, denn so haben wir uns neutral kennen gelernt. „Er bzw. sie ist ja eh nichts für mich“, war das jeweilige Denken. Nach ein paar Wochen gemeinsamer Zeit, wo wir uns plötzlich täglich sahen, obwohl wir beide mit Studium und Ausbildung völlig ausgelastet waren, schrieb ich ihr ein Liebesgedicht, eine Abwandlung der „Morgenwonne“ von Joachim Ringelnatz (http://gedichte-fuer-alle-faelle.de/allegedichte/gedicht_426.html). Das Gedicht ist verloren gegangen. Es war auch nur eine Modifikation, wie ich das im Literaturstudium häufig gemacht habe, um mich einem Autor zu nähern.
Völlig anders ist dieses. Hier mit herzlichen Glückwunsch an meine Frau!
Für mich
sie ist nicht so wie andere
nicht so schön wie die Stars
nicht so toll wie die VIPs
nicht so besonders
einfach normal
aber für mich
ist sie schön
ist sie toll
ist sie besonders
niemals normal
Sie ist meine Heldin
mein Halt, mein Ratgeber
meine Hilfe, meine Stärke
Ohne sie werden die Dinge
schwierig, kompliziert, nervig
ich werde hilflos
Klar, gibt es Freunde,
gibt es Gott
gibt es viele andere
aber sie
einmalig, einzig
für mich
23.12.2016