Vor zwei Tagen jährte sich die bisher schlimmste Katastrophe in unserem Leben: Vor 20 Jahren, nach 22 Wochen Schwangerschaft, von denen 8 Wochen im Krankenhaus verbracht wurden, haben wir unser Baby durch einen Nabelschnurvorfall verloren. Konkret bedeutet dies, dass sich die Nabelschnur außerhalb des Körpers befand, da die Fruchtblase in der 15. Woche geplatzt und das Baby dadurch nur begrenzt geschützt war. Durch den Vorfall erhielt es nicht mehr die notwendige Versorgung.
Bereits Jahre zuvor hatten wir eine Fehlgeburt erlebt, die uns ebenfalls stark belastete, da wir uns sehnlichst ein Kind wünschten, aber scheinbar nicht auf natürliche Weise eines bekommen konnten. Zudem waren die Umstände damals äußerst komplex: Wir befanden uns auf dem Weg ins Ausland und informierten Freunde und Familie durch diverse Besuche und Reisen, die ich aufgrund des Krankenhausaufenthalts alleine antreten musste. An diesem Tag, als ich gerade eine Stunde zurück war, teilte mir meine Frau mit, dass sie die Nabelschnur sieht. Die Ärzte wurden informiert, und die niederschmetternde Antwort lautete: „Da kann man nichts mehr machen. Es ist vorbei!“
Danach folgte die Einnahme von Medikamenten, um die Geburt einzuleiten, die dann am Morgen des 18.7. stattfand. Einen Tag später wurde meine Frau entlassen. In den Wochen danach waren wir von Trauer und emotionalem Stillstand geprägt.
Wie betrachten wir dieses Ereignis heute?
Dank der Geburten zweier gesunder Kinder im Jahr 2006 und 2008 haben wir inzwischen einen gewissen Abstand gewonnen. Dennoch hat es eine Weile gedauert, bis wir den Schicksalsschlag verarbeiten konnten. Zudem erlitt meine Frau einen Bandscheibenvorfall aufgrund des langen Liegens, der später operiert werden musste. Doch im September 2004 waren wir im Ausland und hatten den Schlag halbwegs verdaut. Heute tragen sogar unsere Kinder den Geburts- und Todestag von Benjamin, wie wir unser verlorenes Baby nannten, im Kalender. Auch im Jahr 2023 wissen alle davon, aber es ist lediglich eine Erinnerung, kein Schmerz mehr.
Wie ordnen wir dieses Ereignis heute ein?
Natürlich war es ein echter Schicksalsschlag, und damals war nicht absehbar, dass die Schwangerschaften danach erfolgreich sein würden. Ich erinnere mich noch daran, wie jemand in unserer Gemeinde eine Predigt mit unserer Anzeige begann: „Zu klein, zu früh!“ Dazu zeigte er ein Bild von Hand- und Fußabdrücken unseres Babys. Viele trauerten mit uns, weinten mit uns und drückten ihre Fassungslosigkeit aus. Doch besonders ich musste erst lernen, zu trauern und zu weinen.
Heute sind wir viel mitfühlender, wenn anderen Ähnliches widerfährt, wenn Trauer und Leid aus welchen Gründen auch immer Thema werden. Ein solcher Schicksalsschlag, den man nicht versteht, der schwer zu verkraften ist und der einen fassungslos zurücklässt – in solchen Momenten erzählen wir häufig von Benjamin, sofern es angebracht ist, darüber zu sprechen. Oftmals ist es einfach nur wichtig und notwendig, da zu sein, zu schweigen und den anderen in den Arm zu nehmen.