17.3.2020: Der Coronavirus hat die Welt fest im Griff. Nicht nur in China, Südkorea und Japan, im Rest Asiens und in Europa, auch hier in Afrika geht die Angst um, werden Schulen, Kindergärten und Universitäten geschlossen. Fast alle Großveranstaltungen sind abgesagt. Flugzeugpassagiere kommen automatisch in Quarantäne, der öffentliche Nahverkehr arbeitet noch, aber seine Einstellung wird fast täglich erwartet.
Die Angst scheint uns aber klar größer zu sein als in Europa. Das haben wir lange nicht verstanden, weil normalerweise ist es andersrum: Es gibt zwar weniger Möglichkeiten, aber das Leben wird genossen mit dem, was es bietet. Nun aber kommt die Angst. Eine Freundin erklärte uns warum. Sie nannte zwei Gründe, die von zwei weiteren Beobachtungen ergänzt werden müssen:
2 Gründe der Angst
Zum ersten gab es in der Vergangenheit Ereignisse, Revolutionen und Putsche, wo plötzlich Chaos ausbrach und man ungefähr zwei Wochen lang nicht einkaufen konnte. Ohne zu wissen, dass es zwei Wochen waren – es hätte auch länger werden können! Diese Ereignisse haben Spuren hinterlassen. Keiner will sie wiederholt haben, aus welchen Gründen auch immer.
Zum zweiten gibt es viel zu wenig Schutzkleidung. Nicht nur Masken fehlen für die, die sie gebrauchen könnten, sondern auch alles andere, was besonders Mediziner schützen könnte. Der berühmt-berüchtigte völlig weiß in Plastik gekleidete Mann, den man in Europa bei Ebola-Epidemien nur aus dem Fernsehen kennt, steht jetzt in München und anderen Städten am Drive-in-Test und prüft Leute auf Corona.
Diesen Mann gibt es hier nicht, auch nicht in Krankenhäusern. Folglich sind viele Mediziner fast ungeschützt und weigern sich meist, Verdachtsfälle zu behandeln. Wenn also jemand den Virus bekäme, wäre er wahrscheinlich allein auf sich gestellt.
Zudem scheinen kompliziertere Krankheitsverläufe den Gebrauch von Sauerstoffgeräten zur Folge zu haben: Etwas, das hier nicht unbedingt gegeben ist. Während in Deutschland auf ungefähr 3.000 Personen ein Platz auf der Intensivstation kommt, liegt die Zahl hier bei 50.000 – und das ist den meisten bewusst.
All diese Dinge machen die Leute nervös und ängstlich.
Dazu zwei weitere Beobachtungen
Da ist zum einen ein sehr laxer, unbeschwerter Umgang mit einer möglichen Ansteckung. Bisher sind alle Ansteckungen hier im Land auf drei Nationen zurückzuführen, mit denen enger Austausch stattfindet. Diese drei Länder wurden aber nur langsam geblockt, sogar jetzt gibt es noch Flüge von dort nach Afrika zurück.
Das hat den einfachen Grund, dass jeder nach Hause kommen soll, der will. Das ist hier heilig: Zurück ins Heimatland!
Diese Leute kommen häufig sogar aus Risikogebieten, scheren sich aber nicht weiter darum. Anscheinend scheinen nur Ausländer und wenige Einheimische die freiwillige Quarantäne einzuhalten, die jeder Flugpassagier machen muss. Das ist eigentlich Vorschrift! Durchgesetzt wird sie aber nicht. So sind schon Infizierte in Cafés und am Strand aufgegriffen worden. Die Strafen sind offiziell drakonisch, ob sie angewandt werden, wissen wir nicht.
Die zweite Beobachtung ist allgemeinerer Art die der typisch afrikanischen Organisation: Wie immer wird sich schwer getan, wenn etwas systematisch und möglichst perfekt angegangen werden muss. Spontan, schnell und möglichst gut ist kein Problem.
Aber langfristig und fast perfekt, wie das bei Hygiene nun mal nötig ist, geht weniger. Wir haben dabei immer das Bild der Kakerlake im Kopf, die im Behandlungsraum eines öffentlichen Kinderkrankenhauses über den Boden flitzte.
Auch diese Dinge beruhigen die Einheimischen nicht unbedingt. Und die Hamsterkäufe haben bereits begonnen! Interessanterweise wird auch Klopapier in Mengen gekauft, was etwas seltsam ist, da es dafür eigentlich überall Wasserschläuche gibt …
28.3.2020: Seit letzten Sonntag ist auch hier Ausgangssperre. Jeder sollte zuhause bleiben, sofern er nicht irgendeine wichtige Begründing zum Verlassen seines Hauses vorweisen kann. Einkaufen sollte dazu gehören, wird aber woh nicht immer akzeptiert. Die Kontrollen werden immer schärfer, vor allem die nächtliche Ausgangssperre vn 6 bis 6 wird bei Verstößen sehr scharf geahndet. Bereits fast tausend Leute sollen deswegen in Haft sein.
Dagegen wird die Versorgung langsam aber sicher schlechter. Immer mehr kleine Läden schließen, meistens werden sie wohl nicht mehr beliefert. Die Regierung hat zwar versprochen, dass sie die Grundversorgung sichert. Anscheinend läuft das nur bedingt gut, in unserer Ecke klar weniger als woanders, da hier auch Fälle von Corona in der Nähe gemeldet wurden. Das scheint ein Argument zu sein, die Gegend zu meiden.
Zwei neue Beobachtungen
Es ist ziemlich eindeutig, dass die meisten Leute sich über Social Media informieren und dabei schnell irgendwelchen Verschwörungstheorien und seltsamen Spekulationen aufsitzen. So soll ein Malaria-Mittel helfen – es wird auch offiziell von der WHO erprobt -, die Experten gehen aber davon aus, dass es ein bisschen helfen könnte aber nicht heilen. Eine Freundin aus dem südlicheren Afrika lachte nur: „Das nutzen wir seit 30 Jahren gegen Malaria, damit bin ich aufgewachsen!“ Hier wird es aber teilweise als DAS Mittel jetzt gegen Corona propagiert.
Auch sind natürlich die Chinesen, die Amerikaner, die Briten oder sonst wer Schuld an der Krise. Sie haben das Virus gezüchtet. Dass der Virus einfach nur vom Tier zum Menschen mutiert ist (Zoonose heißt das), wäre ja zu einfach und dann kann man niemanden verantwortlich machen. Von seinen Klassenkameraden hört Sohnemann solche Gedanken ständig.
Zudem soll der Virus sich über die Luft verbreiten, so dass Lüften keine gute Idee sei … Das Gegenteil ist richtig. Über die Luft alleine wird der Virus nicht lange überleben können und Lüften hilft immer.
Diese Verschwörungen und Spekulationen machen die Runde und werden viel ernster genommen als offizielle Nachrichten. Der Staat informiert sehr gut, bisher war alles korrekt, was aus offiziellen Quellen kam. Dem wird aber nicht oder nur bedingt geglaubt.
Seit zwei Wochen ist keine Schule mehr, nur noch online. Seit einer Woche muss ich auch von zuhause aus arbeiten. Das bedeutet: Home-Schooling-Office. Home-Schooling oder Home-Office wäre okay, beides gleichzeitig macht die Dinge weniger einfacher. Dabei zeigt sich, dass die Schule der Kinder sehr engagiert ist, gerade Töchterchens Lehrer sind voll präsent und wesentlich fitter als so manche Story, die wir aus Deutschland hören.
Bei Sohnemann ist es weniger gut, aber doch noch akzeptabel. Der Mathelehrer macht gar nichts, was wir nicht so hilfreich finden. Woran liegt der Unterschied? In Töchterchens Klasse ist die Tochter der Direktorin: Ein Schelm wer dabei Böses denkt!
Aber das Engagement ist prima und gut und bewundernswert. Wie auch an vielen anderen Orten der Welt scheint manches besser und gut zusammen zu laufen, anderes weniger.
Im Nachbarland scheint es deutlich schlechter zu gehen und die Maßnahmen wurden dort mit viel Verspätung eingerichtet. Zudem werden sie nur zaghaft von Provinz zu Provinz angewandt. Das könnte noch größere Probleme nach sich ziehen. Wir sind hier eindeutig besser dran.
Was kommt da noch?
Zwei Dinge, die nicht vorhersehbar sind: Wie lange dauert alles noch? Wie in Europa ist auch das nicht klar. Die Corona-Fälle scheinen uns immer näher zu kommen. Gestern telefonierte ich zum ersten Mal mit einem Freund, der Corona hat – der erste nahe Bekannte. Die sonstigen Fälle haben unseren Stadtteil noch nicht erreicht, aber die Stadtteile nebenan!
Moment wird gesagt, dass alles bis zum 4.4. läuft, danach kommen neue Anweisungen, Aber wir befürchten, dass der gesamte April noch Ausnahmezustand sein wird.
Und die Frage, welche wirtschaftlichen Folgen die Krise haben wird, ist völlig offen. Reserven gibt es hier gar keine. Staatlicherseits wurden Hilfen beantragt, aber ob und wann die kommen, ist unklar. Die meisten Leute hier leben von der Hand in den Mund, wenn sie normales Einkommen haben. Und dabei, das ist wichtig zu sehen, sind wir im reicheren Teil Afrikas. Die wirklich armen Länder sind nah und sie werden keine Möglichkeit haben, auf Corona irgendwie zu reagieren. Wir vermuten, dass die Ärzte dort Beatmungsgeräte nur aus dem Fernsehen kennen …