In der ersten Januar-Woche 2018 kauften wir zwei Wellensittiche. Der Verkäufer konnte uns nicht genau sagen, wie alt diese waren. Ein Freund bestätigte aber ein paar Wochen später, dass es sich um Jungtiere handelte. Wir gingen also davon aus, dass wir eine Weile was von ihnen haben, schließlich leben Wellensittiche so fünf bis zehn Jahre, manchmal auch klar mehr.
Tja, dem sollte nicht so sein.
Nachdem Lia, der weibliche Vogel, eine gescheiterte Brut hatte, wurde sie krank. Nicht direkt danach, aber doch so bald, dass wir davon ausgehen, dass beides zusammen hängt. Und nun ist sie vor zwei Tagen gestorben. Nach dem wir beim Tierarzt waren und dieser ihr Verhalten als nicht so schlimm einstufte, war es das dann doch.
Sie hatte angefangen, eine Kralle nicht mehr zu verwenden, und hatte folglich Probleme mit dem Gleichgewicht. Da der Hahn, der männliche Vogel, immer wieder auf ihr rumsprang – wahrscheinlich meinte er, es gebe ein Ei zu befruchten -, trennten wir die beiden.
Letztlich hat alles nichts genutzt.
Für die Kinder war es das erste Mal, dass sie mit dem Thema Tod direkter und konkret konfrontiert wurden. Klar, es war nur ein Vogel, aber schließlich waren es ihre Vögel. Ein Weihnachtsgeschenk! Und sie hatten natürlich eine Beziehung zu ihnen.
Während Tochter relativ entspannt damit umging, obwohl es ihr Vogel war, vergaß Sohn ein paar Tränen. Zuerst als wir ankündigten, dass wir an ein Überleben der Krankheit nicht mehr glauben. Dann bei der Beerdigung.
Natürlich ist es ziemlich wichtig, seine Kinder mit diesem Thema vertraut zu machen. Bisher ist in der Familie und der weiteren Verwandtschaft noch niemand gestorben, zu dem sie eine Beziehung hatten. Aber das ist bekanntlich nur eine Frage der Zeit.
Hier in unserer Gastkultur ist der Tod präsenter als in Deutschland. Allerdings muss ein Verstorbener innerhalb von 24 Stunden beerdigt werden, was die Trauer klar behindert. Dafür gibt es nach drei Tagen und dann wieder nach 40 feste Zeiten, wo man des Verstorbenen gedenkt und alle kommen können oder sollten, die zur Familie oder zum Freundeskreis gehören.
Bei unseren Nachbarn ist vor ca. zwei Wochen der Schwager der Vermieterin gestorben. Er war bereits von der Schwester der Vermieterin geschieden, welche zeitweise in Europa lebte. Trotzdem forderte eine Freundin, über die wir die Nachricht bekamen, meine Frau auf, die Nachbar zu besuchen. So wolle es die Tradition.
Schweren Herzens machte sie sich auf den Weg ein Stockwerk höher. Ein ungewohnter und schwieriger Gang, weil sie nicht den Hauch einer Idee hatte, was kommen würde und wie die Reaktionen ausfallen könnte. Diese waren dann extrem positiv: Vor allem die Tochter des Verstorbenen war dankbar für den Besuch, für sie war der Verlust des Vaters erheblich größer und damit die Trauer stärker als bei ihrer Mutter, die schon lange vom Vater getrennt gelebt hatte.
Alle dies haben die Kinder natürlich auch mit bekommen. Allerdings war bei den Nachbarn die emotionale Distanz erheblich höher als bei dem eigenen Vogel …
Das Grab des Wellensittichs im Garten. Sie hieß Lia.