Während des zweiten Weltkriegs sollen die Briten dieses Motto erfunden haben, um die Bevölkerung zu ermutigen bzw. bei Laune zu halten: Keep calm and carry on – Bleibt ruhig und macht weiter! Die geplante Kampagne hat dann wohl nie statt gefunden und erst nach dem Krieg wurde das Motto populär. Wir benutzen es aber mittlerweile als persönliches Motto!
Zum Beispiel haben wir schon häufiger über den Verkehr hier im Land geschrieben: völlig chaotisch, jeder macht, was er will, wo Platz ist, wird gefahren und ähnliches. Die Angestellten unserer Firma machen gerade den Führerschein und leiden: Denn während in Europa die Straßenverkehrsordnung und der real existierende Verkehr noch Gemeinsamkeiten haben, sind das hier zwei Welten.
Am schlimmsten sind die Fußgänger, die sich an nichts halten und einfach gehen. Egal wo, egal wann, ob ein Polizist daneben steht oder nicht, ob es gefährlich ist oder nicht. Es gibt keine Verkehrserziehung vor dem Führerschein, erst dann werden Leute geschult. Da kaum jemand den Führerschein sofort mit 18 macht, gibt es extrem viele Leute, die die Regeln auch gar nicht kennen! Die Familie unseres Nachtwächters zum Beispiel ist weit entfernt davon ein Auto besitzen zu können. Die Frau kann auch nicht lesen und schreiben. Im Verkehr zu überleben, lernen sie im Alltag.
Was macht man damit?
Man regt sich auf! Und das häufiger, weil es einfach unerträglich ist. Es fängt an mit Autos, die im Dunkeln ohne Licht fahren: Der Fahrer sieht ja alles dank der Straßenbeleuchtung. Gut, das gibt es auch bei uns. Dann kommt das rechts Überholen, was bekanntlich in den USA erlaubt ist, aber hier nicht. Zudem das Hupen aus allen möglichen Gründen. Hupen scheint etwas sagen zu wollen wie: „Du kannst los“, „ich komme“, „Schneller!“, „Pass doch auf!“. Am interessantesten und besonders witzig sind die Ampelhuper: Es wird grün oder noch kurz davor, da wird schon gehupt: „Losfahren!“ Manchmal ist das sogar nötig, weil der erste Fahrer so weit vorne steht, dass er die Ampel gar nicht mehr sieht …
Und wie geht man jetzt damit um?
Cool bleiben, ganz ruhig, und am besten irgendwie kommunizieren!
Frau ist da sehr viel besser als Mann, daher fährt sie, wenn es enger wird. Und wenn es gefährlich wird: Viele verstehen anscheinend nicht, dass ihr Verhalten gefährlich ist, vor allem für sie selber: Im Falle eines Unfalls zwischen Auto und Fußgänger mag das Auto Schuld haben, die evtl. lebenslangen gesundheitlichen Folgen hat der Fußgänger!
Wir mussten lernen: Man kann die Leute nicht ändern. Sie sind so, Verkehrserziehung findet nicht statt. Viele denken über den Verkehr und andere Probleme im Land nach und haben Ideen, wie man das ändern könnte. Natürlich haben die Leute Ideen, es ist hier keiner doof oder dumm. Aber das heißt ja nicht, dass sich morgen etwas ändert.
Es heißt für uns: Gelassen bleiben nach dem Motto:
Gott, gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr
Den Verkehr hier können wir nicht ändern. Das ist eine Tatsache. Ich kann meine Einstellung dazu ändern und gucken, wie ich damit am besten umgehe.
Aber wie ändert man seine Einstellung zu einem eigentlich nicht-tolerierbaren Verhalten?
Man kann sich sagen: Das ist mir jetzt alles egal. Die sind halt so (doof), selber schuld. Die Erfahrung zeigt, dass das nicht funktioniert. Es klappt nicht mit der Egal-Haltung, zudem besteht die Gefahr, dass man sie auf andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens überträgt. Daraus folgt dann relativ schnell eine Ablehnung der gesamten Mentalität, der Gesellschaft, die mich ja schließlich als Fremden aufgenommen hat. Oder in Deutschland würde das heißen, dass man die ganze Zeit „anti“ lebt, immer gegen Dinge ist. Auf Dauer geht das nicht. Auf Dauer ist das nicht gesund.
Womit wir besser gefahren sind: Immer mit allem rechnen und bereit sein auf alles zu reagieren, wenn man am Steuer ist. So ist man weniger gefährdet und weniger genervt. Zudem versuchen ruhig zu bleiben beim Unmöglichen und mit Humor zu antworten. Das klappt meistens. Überhaupt ist Humor die beste Reaktion auf die Unwägbarkeiten und Eigenheiten des Lebens im Ausland
Was lerne ich?
Das Spannendste ist die Selbstbeobachtung! Bei was rege ich mich richtig auf und wo kann ich gelassen bleiben ohne große Anstrengung? Das ist nicht immer logisch. Als ich meine Kinder anmeckerte, weil meine Lieblingsmannschaft im Fußball verloren hatte, wurde mir klar, dass ich mich von dieser Mannschaft distanzieren muss. Nicht weil sie schlecht wäre oder Fan-sein unpassend ist, sondern weil meine Kinder nicht darunter leiden dürfen, dass ich schlechte Laune kriege durch etwas, was ich nicht beeinflussen kann und einfach akzeptieren muss.
Im Verkehr reagiere ich am heftigsten negativ bei einfachen Dingen, die nichts kosten würden aber helfen könnten: Blinken z.B. hilft, macht aber kaum einer. Hupen tun alle, hilft aber gar nicht. Zwischen den Spuren und den anderen Wagen hin und her wechseln und so rechts und links überholen ist gerade für Sammeltaxis normal. Sie gewinnen ein paar Meter, um dann an der nächsten Brücke für einen Passagier zu halten. Solch ein Verhalten, gefährlich und einfach zu ändern, stört mich immens.
Zudem habe ich gelernt: Wie schnell ich mich über etwas aufrege, hat häufig mehr mit dem zu tun, was vorher passierte und wie meine Laune ist, als mit dem Ereignis selber. Das war sehr hilfreich zu verstehen. Wenn direkt vorher etwas schief lief im Büro oder wir uns gestritten haben, bin ich sehr viel dünnhäutiger.
Als eine besondere Aufgabe sehe ich es zu lernen, sich auch bei berechtigten Anlässen nicht aufzuregen, sondern eine gute Art der Kommunikation zu finden. Ob ich den anderen belehren muss oder sollte, sei dahin gestellt. Aber das Belehren klappt mit genervtem oder leicht aggressivem Unterton auf keinen Fall. Egal wie berechtigt es sein mag.
Im afrikanischen Gelassenheitstraining sind wir schon weit gekommen. Aber es gibt immer noch vieles zu lernen und das hört wohl auch nie auf. Aber die Lektion ist klar: Ruhig bleiben, abwarten und nicht gleich reagieren, wenn etwas passiert.